Es ist häufig ein gutes Zeichen, wenn sich der Vorhang hebt, das Licht angeht und man erst einmal total verwirrt ist von dem, was man da vor sich sieht, weil es überhaupt nicht den eigenen Erwartungen entspricht. So erging es uns K1ern am Dienstag, 29.04., als wir uns Heinrich von Kleists Lustspiel „Der zerbrochne Krug“ in einer Inszenierung der Stuttgarter Theaterkompagnie (Regie: Christian Schlösser) im Theater ansahen – eines unserer Schwerpunktthemen im Abitur. Denn das Bühnenbild bestand aus einer Baustelle, es lief laute Musik und all das passte überhaupt nicht zu dem erwarteten Gerichtssaal. Doch zu dieser Inszenierung passte es perfekt: das Gericht als chaotisches und provisorisches Zentrum der Handlung, im Hintergrund Richter Adam höchstpersönlich, der auf der Toilette eingeschlafen ist – ziemlich absurd. Als dann jedoch der zweite Protagonist auftrat, wurde es noch absurder: Statt eines mittelalten Mannes hohen Amtes stolzierte dort eine junge Frau als Gerichtsrätin auf die Bühne und verwirrte uns zunächst ziemlich. Auch Adam schien überrascht und nahm die Gerichtsrätin sofort von Lust gesteuert ins Visier. Diese Reaktion ermöglichte es dem unwissenden Zuschauer von Anfang an, Adam, der während der gesamten Handlung versucht, seinen triebhaften Charakter zu verstecken, zu durchschauen.
Besonders an dieser Inszenierung war auch, dass die Schauspieler/innen vor dem originalen Schluss einen radikalen Schnitt machten und eine alternative, selbst verfasste Version der Schlussszene einschoben. In ihrer eigenen Interpretation kam der tragische Anteil des „Lustspiels“ gut zur Geltung: Adam hängt sich auf und Eve, Adams Opfer, bleibt alleine zurück.
Alles in allem war dieser Dienstagabend ein sehr interessanter, teils komischer, aber auch zum Nachdenken anregender Abend, der unsere Erwartungen an ein scheinbar etwas in die Jahre gekommenes Theaterstück aus dem frühen 19. Jahrhundert eindeutig übertraf. So war der Besuch des Theaters eine perfekte Möglichkeit, das allzu bekannte Stück einmal aus einer völlig anderen Perspektive zu sehen, Inhalte so besser verstehen zu können und über Beziehungen und Strukturen zu diskutieren.
Autorin: Lisa Haß